Wie ich lernte das Monster zu lieben....

Schuld war Bryan Adams und der verdammte Krieg, natürlich auch das Wetter. Die Galerie "Ostlicht" zeigt die fotografischen Arbeiten des Schnulzenrockers und neugierig zog es uns in die Ausstellung.  Naja, nicht schlecht, natürlich viele Prominente die er kennt - von Lindsey Lohan bis Victoria Beckham. Die Bilder wirken natürlich auch durch deren Namen, sauber im Studio fotografiert, passend.

Viel interessanter war der Nebenraum mit Bildern von englischen Soldaten die im Irakkrieg verwundet wurden, lebensgrosse Abzüge verstümmelter Gliedmassen und Prothesen in schwarz-weiss, die mich tief beeindruckt und gerührt haben. Ganz egal wieviel Megabit Auflösung eine Kamera hat, analog -also guter alter Film- ist wohl nicht zu schlagen wenn es um schwarz-weiss Porträts geht. Also musste eine analoge Mittelformatkamera her.

Nach relativ kurzer Suche und Beratung war eine Mamiya RZ67 Professional im Haus, mit einem 90mm Objektiv (für die Interessierten: Crop-Faktor ist 0,6 -  also Standardbrennweite in KB-Format).  Die Bedienung dieses Monster ist skurril. Ehrlich. So richtig mit großem Hebel zum  Weiterspulen des Films, Rändelschraube zum Fokussieren, Lichtschachtsucher. Wer meint das ist uralt irrt: diese Kamera wurde bis 2009 als digitale Variante gebaut, gilt als "Workhorse" unter Profis und mit einem digitalen Rückenteil ist sie plötzlich auch topmodern.

Und wie tut das? Ganz anders. Ganz ganz anders. Während eines fotografischen Ausfluges in die Bucklige Welt war neben der 5D III auch die Mamiya dabei, und sobald man das Teil in die Hand nimmt wird alles langsam. Nichts ist automatisiert, vom Einstellen der Belichtung und Fokus bis hin zum Weiterspulen des Films.  Man macht sich viel viel mehr Gedanken um den Bildaufbau, nimmt sich richtig Zeit. Ein wunderbar entschleunigtes, bewusstes fotografieren.

Heute, fast zwei Wochen (!!) nach dem Ausflug habe ich die Bilder abgeholt. Film entwickeln, mit kleinster Auflösung einscannen, war ja nicht klar ob die Kamera funktioniert und/oder ich das richtig mache. Hier der Topshot:

Bucklige Welt
Bucklige Welt

Die Flares im Bild sind echt, also nicht nachträglich eingefügt. Die Belichtung habe ich mit einem Gossen Digipro gemessen, fotografiert habe ich aus der Hand. Das Bild ist 1:1 das was Cyberlab aus dem 120er Rollfilm macht in der niedrigsten Auflösung, no need to worry.

Bin unglaublich begeistert vom Monster (wie ich die RZ 67 liebevoll nenne), da ich der Meinung bin dass diese Kamera zu einer Arbeitsweise zwingt die einzigartige Ergebnisse bringt, zumindest was Landschaften und Porträts angeht. Ich arbeite gerne damit, das Teil hat Ecken und Kanten, es entschleunigt und zwingt dazu sich das Bild vorzustellen das man machen möchte. Als Ergänzung möchte ich dem geneigten Leser zwei tolle Fotografen ans Herz legen: zum einen meinen Landsmann den Rainer Ressmann der mir sehr viel zur RZ67 erklärt hat und dem ich dafür sehr dankbar bin, zum anderen Gregory Heisler der einen guten Teil seiner Porträts mit dieser Kamera fotografiert hat. Und natürlich Bryan Adams.